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Kalmus - Calami rhizoma [DAC 2001]

Stammpflanzen: Acorus calamus L. / Kalmus [Fam. Acoraceae / Kalmusgewächse]. Synonyme: In der wissenschaftlichen Literatur sind praktisch keine synonymen Artbezeichnungen zu finden. In älteren Quellen finden sich eine Reihe weiterer Acorus-Synonyme wie z. B. Acorus aromaticus GARZ. und Acorus vulgaris KERNER., ferner auch Oronthium cochinchinensis LOUR. Dt. Synonyme: Deutscher Zitwer, Deutscher Ingwer. Englisch: calamus, flagroot, myrtle flag, sweet calamus, sweet flag, sweetroot.

Gattungsgliederung: Die Anzahl der Chromosomen bei A. calamus kann 24 (diploid), 36 (triploid) oder 48 (triploid) betragen. Diploide und tetraploide Rassen sind zur Vermehrung befähigt, triploide dagegen steril. Entsprechend der Anzahl der Chromosomensätze Unterteilung in die Varietäten americanus (RAF.) WULFF (diploid), calamus (triploid) und angustatus BESS. (tetraploid).

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Bis 1,20 m hohe Rhizomstaude. Rhizom schwammig-drüsig, horizontal kriechend, bis über 50 cm lang und 3 cm dick, etwas platt gedrückt, kurz gegliedert und ein wenig hin- und hergebogen. Wurzeln dem Rhizom an der Unterseite zahlreich entspringend, etwa 2-3 mm dick. Blätter aus dem Wurzelstock zweizeilig hervorbrechend, 1-2 cm breit und über 1 m lang, schwertförmig-linealisch, vorne lang zugespitzt. Blütenschaft ebenfalls gut 1 m lang, zusammengedrückt 3kantig, auf der einen Seite etwas rinnenförmig, grasgrün gefärbt, oberhalb des Blütenkolbens mit grüner, stengelähnlicher Spatha. Blütenkolben walzig, sich oben verjüngend, dem Blütenschaft in spitzem Winkel zur Seite entspringend, etwa 8 cm lang und 1,5 cm im Durchmesser. Blüten zwittrig, sehr klein, radiärsymmetrisch, mit 6zähligem, grünlich-gelbem Perigon mit etwa 2,5 mm langen und 1 mm breiten Perigonblättern. Staubblätter 6, etwa genauso lang wie die Perigonblätter. Fruchtknoten oberständig, aus 3 verwachsenen Fruchtblättern bestehend, ca. 3 mm lang und 1,5 mm dick.

Verbreitung: Ursprünglich heimisch in gemäßigter Zone Asiens vom Kaukasus bis Ost-Sibirien, China, Korea und Japan sowie im tropischen Asien in Bhutan, N-Indien, Nepal und Pakistan. Eingeschleppt und heute ebenfalls weit verbreitet in Europa und Nordamerika. Anzutreffen in Röhrichten von Sümpfen, Teichen und an Ufern stehender oder langsam fließender Gewässer.

Droge: Der von Wurzeln und Blattresten befreite, geschälte, meist der Länge nach gespaltene, getrocknete, ganze oder geschnittene Wurzelstock, der einen Mindestgehalt an ätherischem Öl von 20 ml / kg (2 %; Ganzdroge) bzw. 15 ml / kg (1,5 %; Schnittdroge) aufweist. Hinweis: cis-Isoasaron (= ß-Asaron) werden krebsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Daher darf als Droge verwendeter Kalmuswurzelstock ausschließlich von der nahezu cis-Isoasaron-freien diploiden nordamerikanischen Varietät stammen (s. unten). Aus diesem Grund ist entsprechend Deutschem Arzneimittelcodex nur ein maximaler Gehalt an cis-Isoasaron von 0,5 Prozent zulässig (Reinheitsprüfung mittels HPLC).

Beschreibung der Droge: Ganzdroge entweder aus kompletten Rhizomstücken bestehend oder der Länge nach halbiert oder geviertelt. Farbe weißlich gelb bis gelbbraun, zuweilen rötlich. Länge bis 20 cm, Durchmesser bis 2 cm. Querschnitt flachzylindrisch. Unten sind in der Regel die Wurzelansätze als kleine, runde, scharfrandige, hell- bis dunkelbraune Narben sichtbar. Oben und an der Seite gelegentlich schräggestellte, spitzdreieckige Blattnarben in 2 alternierenden Reihen. Im Querschnitt ist die dunkle, kreisförmige Endodermis zu erkennen, mit der Lupe im Zentrum der durch zahlreiche Leitbündel punktierte Zentralzylinder. Schnittdroge bestehend aus unregelmäßigen, weißlich gelben Bruchstücken, an denen vereinzelt Wurzelnarben als dunkle Kreise und unter der Lupe Leitbündel als Punkte zu erkennen sind.

Geruch und Geschmack: Geruch aromatisch, Geschmack zunächst scharf, später schwach bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Ackerwurz, Kalmusrot, Magenwurz, Zehrwurz. Englisch: Acorus root, calmit rot, sweet flag root. Lateinisch: Rhizoma Acori, Radix Acori, Rhizoma Calami, Radix Calami, Radix Calami aromatici.

Herkunft: Fast ausschließlich aus Sammlung von Wildbeständen. Importe vor allem aus Osteuropa und Indien.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl: Gehalt zwischen 2 und 6 Prozent, gelegentlich bis 12 Prozent. Zusammensetzung des ätherischen Öls und insbesondere Anteil an cis-Isoasaron (= ß-Asaron) je nach Chromosomenzahl (s. Gattungsgliederung) recht variabel. In diploider (nordamerikanischer) Rasse cis-Isoasaron praktisch fehlend, in triploider (europäischer Rasse) ca. 10 % und in tetraploider (indischer) Rasse über 80 %. Als weitere Bestandteile des ätherischen Öls wurden nachgewiesen die Phenylpropanderivate α-Asaron und das dimere ß-Asaron-Derivat Acoradin, als Monoterpen das (Z,Z)-4,7-Decadienal und aus der Gruppe der Sesquiterpene verschiedene Shyobunon-Isomere, Acoron, Acorenon und Acoragermacron. Weitere Komponenten: Fettsäuren, Schleim, Fructose, Glucose, Maltose, 0,6 bis 1 % Gerbstoffe, das Bitterstoffglykosid Acorin.
Wirkungen: Anregung der Magensaftsekretion, vermutlich auch der Gallensekretion und spasmolytisch. Kalmuswurzelstock zählt zu den intensiv untersuchten Drogen. Daher existiert eine sehr große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, in denen verschiedenste Effekte der Droge und ihrer Inhaltsstoffe beschrieben sind. Zu diesen zählen u. a. eine Verlängerung der Blutgerinnungszeit, eine Verbesserung der Blutfettwerte, verschiedene zentrale Wirkungen und auch insektizide Eigenschaften. Zum überwiegenden Teil ist jedoch die praktische Relevanz dieser Untersuchungen sehr gering, so dass sich aus diesen beschriebenen Effekten keine therapeutischen Anwendungsgebiete ableiten lassen.
Anwendungsgebiete: Innerlich als appetitanregendes und verdauungsförderndes Mittel bei dyspeptischen Beschwerden funktioneller Natur, äußerlich als Bestandteil von Mund- und Gurgelwässern und in Form des Kalmusspiritus oder des Kalmusöls als hautreizende Einreibung bei Erschöpfungszuständen.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Aufgrund des weiten Verbreitungsgebietes der Stammpflanze mit vielfältiger Verwendung in der Volksheilkunde. In Mitteleuropa bei krampfartigen Magenschmerzen, Blähungen und Verdauungsschwäche, zur Gedächtnisstärkung und als Badezusatz zu beruhigenden Bädern bei Nervosität und Schlaflosigkeit und bei Unterleibsbeschwerden sowie als anregendes Bad bei Durchblutungsstörungen von Armen und Beinen und bei Frostbeulen.. Unbehandelter Wurzelstock zum Kauen als Raucherentwöhnungsmittel. In China u. a. bei unregelmäßiger Menstruation und bei rheumatischer Arthritis, in Indonesien bei vergrößerter Milz, Durchfall und epileptischen Anfällen, in Thailand zur Behandlung von Entzündungen. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht belegt. Für die Verwendung als Bad besteht in Deutschland sogar ein Anwendungsverbot.

Gegenanzeigen: Nicht anzuwenden während der Schwangerschaft, bei Kindern und über einen längeren Zeitraum.
Unerwünschte Wirkungen: Bei ordnungsgemäß bezogener Droge, die gemäß Deutschem Arzneimittelcodex geprüft wurde, sind keine unerwünschten Wirkungen bekannt. Demgegenüber wurden für die cis-Isoasaron-reichen tri- (europäische Rasse) und tetraploiden (indische Rasse) Varietäten erbgutschädigende, mutationsfördernde und krebsfördernde Wirkungen nachgewiesen.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Als Tinktur oder Teezubereitung. Von der Tinktur 10-20 Tropfen vor oder nach den Mahlzeiten einnehmen, zur Teebereitung 1-1,5 g der fein geschnittenen oder grob pulverisierten Droge (1 Teelöffel entspricht ca. 3 g) mit einer Tasse kochendem Wasser übergießen oder kalt ansetzen und kurz aufkochen. Nach 10 bis 15 min durch ein Teesieb geben. Tee jeweils vor den Mahlzeiten trinken.

Sonstige Verwendung: In der Vergangenheit auch zur Herstellung von Schnäpsen, Likören und Konfekt.

Bilder:
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Kalmus findet man in Mitteleuropa bevorzugt im flachen Uferbereich von Sümpfen, Teichen, Seen und langsam fließenden Gewässern. Beim flüchtigen Betrachten ist er infolge der flachen Blätter nur schwer von Schilf und anderen Sauergräsern zu unterscheiden (Abbildung unten). Gut zu erkennen ist die Pflanze anhand des schräg nach oben gerichteten Kolbens (Abbildung links). Dem mehr oder weniger waagerecht verlaufenden Wurzelstock entspringen nach unten in loser Folge zahlreiche kleine Wurzeln (Abbildung rechts), die beim Trocknen abfallen und deren Ansatzstellen ein sehr gutes Erkennungsmerkmal der Droge darstellen.

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Literatur: USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN). [Online Database] National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Available: http://www.ars-grin.gov/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?1358 (20 October 2003); Köhler's Medizinal-Pflanzen, Verlag Fr. Eugen Köhler, Gera 1887; E. J. Jäger, K. Werner, Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin 2002; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, 3. Ergänzungsband 2003; R. Hänsel, O. Sticher (Hrsg.), Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1999; H. Schilcher, S. Kammerer, Leitfaden Phytotherapie, Urban&Fischer Verlag, München-Jena 2003.


© Thomas Schöpke